Es gab 2009 in Oberitalien ein recht seltenes Ereignis:
Drei Regentage am Stück !!!
Die haben wir abgepaßt und sind losgefahren ins Veneto, wo unsere Freunde sind; das sagt sich so leicht dahin…..wo unsere Freunde sind, aber wer hat schon Freunde im Veneto und gleich mehrere? Zu acht waren wir in unserem Kleinbus, den wir von der Gemeinde geliehen hatten: Christa Francodice, Priska, Margitta, Walter, Bärbel, Michael, Tom und Sigi. Michael, il condottiere, hatte ein Rahmenprogramm zusammengestellt mit der Empfehlung, Badesachen mitzunehmen…Badesachen !!!!!
Um 5 Uhr in der Früh ging es los, bei Regen, wie geplant; zum Brenner hinauf wurde das Wetter etwas besser, nach dem Brenner schlechter, ein meteorologischer ball paradox, wegen der Erderwärmung eben oder auch weil die Polkappen schmelzen, Genaues weiß man nicht. In Bozen legten wir einen kurzen Halt ein, um in einer Bar zu frühstücken mit Cappuccino, Espresso und Cornetti. Weiter ging es in flotter Fahrt , Michael am Steuer, nach Verona, wo uns Franco erwartete. Leichter Regen ! Unser Ziel: Der Rifugio Primavera auf dem Monte Tomba in den Lessinischen Bergen mit königlichem Panoramablick über das Veneto, den Lago di Garda und tutto quanto. Je höher wir mit unseren Autos kamen, wir hatten auf der Fahrt einen Freund von Franco abgeholt, desto dichter wurde der Nebel, aber das war uns ziemlich egal, denn im Rifugio erwarteten uns ja „Wein, Weib und Gesang“ und , nicht zu vergessen, ein gutes Essen. Zweimal hielten wir noch an, weil Franco und sein Freund uns detailliert zeigten, was man wo alles sehen kann… bei klarer Sicht.
Nun ging es zu Fuß weiter den Berg hinan und nach einer knappen Stunde tauchten aus den Nebelschwaden die Umrisse des Rifugio auf, wie wenn sich der Fliegende Holländer mit seinem Geisterschiff auf einen hohen Berg verirrt hätte. Wir tasteten uns zum Eingang hin, die Tür geht auf und das Herz geht über ! Ein langgedeckter Tisch , eine fesche Almerin begrüßte uns aufs herzlichste, noch einen Aperitivo und dann gings zur Sache: Gnocchi in heißer Butter mit Parmesan drüber, zarteste Carpaccio- Scheiben mit geraspeltem Käse auf Holzbrettern, Polenta mit Gebratenem und Salat, Wein natürlich a piacere und als Dessert ein typisches Mantovaner Gebäck, auf das Grappa gespritzt wird, dann der obligate espresso mit einem grappino drin, dann heißt er corretto, oder dazu, dann heißt er ancora uno.
Nach diesem Wohlessen wäre ein pisolino schön gewesen, ein Nickerchen, aber so weit ging die Genußspirale dann auch wieder nicht, schließlich waren wir auf einem rifugio. Also ging es wieder hinaus in den Nebel: Gegenüber vom rifugio befand sich eine Kapelle, verschlossen zwar, aber an die Außenwand war ein Gebet gemalt zur Erinnerung an die Gefallenen des Gebirgskrieges im Ersten Weltkrieg und nun sangen wir im Chor dieses Gebet nach – ein bewegender Moment. Wir machten uns auf den Rückweg zu unseren Autos und auf diesem kurzen Fußmarsch im Nieselregen und Nebel entstand aus dem Munde von Christa die denkwürdige Redewendung „Franco dice“ was im Klartext hieß: „Franco weiß es besser !“. Nach einem etwas weniger üppigen Abendessen im eleganten ristorante unseres Agriturismo ging es in die Betten.
Am zweiten Tag unseres Kurzurlaubs fuhren wir nach Mantova. Auf der Hinfahrt besichtigten wir den mittelalterlichen Ort Borghetto unterhalb der Viscontibrücke, die der Visconte von Mailand als Staumauer bauen ließ, um den Mincio aufzustauen und damit den Verteidigungsgraben um Mantua auszutrocknen. Der Visconte starb zu seinem Leidwesen vor Vollendung des Bauwerks und die Nachfahren ließen von der Idee ab und es blieb die beeindruckende Brücke aus dem 15. Jahrhundert.
In Mantova aßen wir zu mittag im Freien, in einem Lokal in der Nähe der Piazza und schlenderten dann durch die Gassen des Centro storico: Schöne Kirchen und historische Gebäude, die Altstadt, eben eine Einheit wie es sie im neuzeitlichen Städtebau trotz akribischer Stadtplanung nicht mehr geben kann. Aber auch hier müßte so manches Gebäude mit schönen Fresken dringend saniert werden, aber es fehlt das Geld. „Wer inverstiert schon in Bruchbuden mit ein paar Fresken drauf, Kultur ist Vergangenheit“ sagte mir ein freundlicher, älterer Mantovaner mit einem wissenden Lächeln, „unsere Politiker investieren lieber in die Zukunft, in Finanztransaktionen zum Beispiel, oder Transferzahlungen für Fußballer“ und dann fügte er hinzu: „Berlusconi wirds schon richten!“ und verabschiedete sich.
Zurück in unserem Agriturismo folgte eine Besichtigung der Kellerei mit anschließender Weinprobe.
Am Abend dieses zweiten Tages folgte der Höhepunkt unserer kurzen Reise:Wir waren eingeladen zum Abendessen bei Franco, Cincia und Ihrer schönen Nonna !
Von ihrem Haus in Bardolino, wo sie den Sommer über wohnen, hat man einen grandiosen Blick über den Gardasee. Der Nebel hatte sich verzogen, wir sahen in der Dämmerung die Lichter am Seeufer angehen und tranken Prosecco auf der Terrasse. Ab und zu fiel ein Blick ins Innere, auf die weiß gedeckten Tische und das allein schon wirkte wie ein Aperitif. Das Abendessen war großasrtig, kein Wunder, die Nudeln hausgemacht von der Nonna, die Polenta aus der Umgebung, der Wein vom Hausherrn Franco selbst produziert, unten der Gardasee mit seinen Lichtern….es wurde viel gelacht. Einer erzählte die Geschichte vom Grübler, der dauernd über das Jenseits nachdachte: Ob sich da wirklich dreizehn Jungfrauen herumfläzen, ab da wirklich ein Bayer im Hemd rumrennt und dauernd Luja schreit, wie man den Umweg über das Fegfeuer abkürzen könnte oder ob am End gar nichts los wär im Paradiso ?!
Als der Grübler starb, setzte man ihm einen Stein und darauf stand: „Ora sa“.
Schön wars, spät wurde es und in der Nacht wanderten wir beschwingt zu unserem Agriturismo zurück, wiederkäuten im Geiste die guten Speisen, einige sprangen noch ins Wasser und dann schliefen alle in die Nacht hinein.
Am letzten Tag unserer Spritztour kauften wir noch Wein, Grappa, Prosecco und Olivenöl in der Cantina unseres Agriturismo. Dann brachen wir auf, denn wir wollten uns vor der Heimreise noch das schöne Städtchen Bardolino anschauen. Wir fuhren los und kamen auch bis zu einem Parkplatz, aber ab da ging garnichts mehr, der Regen war zum Sturm geworden. Wir saßen in unserer Autoburg auf dem Sprung, um einen Ausfall zu wagen, aber da war nichts zu machen. Es schüttete aus Eimern , worauf wir einstimmig beschlossen, uns auf die Nachhausefahrt zu machen. In Ala verließen wir noch einmal die Autobahn, der Mann im Mautkammerl zeigte uns ein Esslokal in der Nähe. Wir also hin, auf dem Parkplatz standen mehrere Laster, das war ein gutes Zeichen, wir also hinein, alle acht an einem großen Tisch und dann kam ein Gang nach dem anderen. Das ging so Schlag auf Schlag, der letzte Schlag traf unseren Kassenwart: Walter kam ganz blaß vom Zahlen zurück. Auf einem Fetzen Papier stand nur eine Zahl 177 Euro, aber geschmeckt hats !!!
Der Rest ist Autobahn, in Irschenberg an der Tankstelle das Auto waschen und putzen und dann voneinander Abschied nehmen nach dieser schönen Auszeit von der Herrschaft der täglichen Routine.
Dank an unseren Chronisten Sigi für diesen wunderbaren Bericht !